Ein Junge im Sprechzimmer einer Ärztin, kurz vor einer Impfung

Patient und Arzt – wie wird aus einem Kind ein mündiger Patient? 

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Zum Erwachsenwerden gehört es, dass Kinder lernen, selbst Verantwortung für sich und ihre Gesundheit zu übernehmen. Dies gilt auch für den Arztbesuch. Damit Kinder zu mündigen Patientinnen und Patienten werden, können einige Dinge berücksichtigt werden.

Jugendliche und ihre gesundheitliche Selbstbestimmung

Der Kopf dröhnt, die Nase läuft, die Glieder schmerzen. Am besten gleich zum Arzt. Doch wie ist es eigentlich bei Jugendlichen? Müssen die Eltern mit? Ab wann dürfen Jugendliche alleine einen Arzt aufsuchen und über ihre Behandlungen entscheiden?

Einwilligungsfähigkeit als Voraussetzung 

Das Stichwort hierfür ist die Einwilligungsfähigkeit. Wenn Minderjährige selbst über medizinische Behandlungen entscheiden wollen, muss sie der Arzt, die Ärztin als einwilligungsfähig einstufen. Laut Bundesgerichtshof kommt es bei einem Minderjährigen darauf an, dass er „nach seiner geistigen und sittlichen Reife die Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Gestattung zu ermessen vermag“. Minderjährige müssen also in der Lage sein, Nutzen und Risiken einer Behandlung abzuwägen. Dies ist die Voraussetzung für eine wohlüberlegte Entscheidung über die eigene Gesundheit.

Ab wann sind Jugendliche einwilligungsfähig? 

Die Einwilligungsfähigkeit ist nicht an ein Alter gebunden. In der Regel wird davon ausgegangen, dass Jugendliche ab circa 14 Jahren einwilligungsfähig werden. Bei Behandlungen mit besonderer Tragweite, wie großen Operationen, sind weiterhin die Erziehungsberechtigten entscheidungsbefugt. Sie dürfen jedoch nicht über die Köpfe der einwilligungsfähigen Jugendlichen hinweg entscheiden.

Vielen Jugendlichen und Eltern ist das Prinzip der Einwilligungsfähigkeit nicht bekannt. Dabei kann es für die Entwicklung eines Menschen wichtig sein, aktiv in den Arztbesuch und Therapieentscheidungen mit eingebunden zu werden. So lernen Jugendliche schon früh, wie sie kompetent und auf Augenhöhe mit ihrer Ärztin, ihrem Arzt sprechen. Damit beim ersten Arztbesuch allein alles klappt, haben wir einige Hinweise zusammengetragen.

Checkliste für den Arztbesuch

Wer schreibt, der bleibt, heißt es so schön für den Unterricht. Doch dies gilt nicht nur für die Schule, sondern auch für den Arztbesuch. Wer sich gut vorbereitet, bleibt vielleicht etwas länger als die durchschnittlichen acht Minuten im Behandlungszimmer. Es fällt nicht immer leicht, sich alle Fragen für das Gespräch mit dem Arzt, der Ärztin zu merken oder alle Antworten parat zu haben. Mit dem Notizzettel gewappnet ist man daher auf der sicheren Seite. Und Spicken ist nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht. Es ist völlig in Ordnung, die Notizen herauszuholen, mitzuschreiben sowie Nach- und Rückfragen zu stellen.

Hilfreich für die Notizen ist es, sich die W-Fragen zu stellen:

  • Wann sind die Beschwerden das erste Mal aufgetreten? 
  • Wie fühlt es sich konkret an? Wie lange bleiben die Symptome?
  • Was wurde bereits dagegen unternommen? Was hat geholfen, was nicht? 
  • Wo genau tauchen die Schmerzen auf?
  • Wer in der Familie/Sportgruppe/Kollegium ist davon noch betroffen? 

Im Arztgespräch 

Viele Informationen, die Ärztinnen im Gespräch mitteilen, werden wieder vergessen. Rund die Hälfte der Informationen verstehen die Angesprochenen gar nicht. Die Gründe hierfür sind ganz unterschiedlich: Aufregung, Unwohlsein, Fachchinesisch und Ärztelatein. Nicht immer schafft es die Ärztin, die richtigen Worte zu wählen oder der Arzt Sachverhalte so zu erklären, dass sie verständlich ankommen.

Nachfragen lohnt sich 

Oft trauen sich Patienten nicht nochmals nachzufragen oder Patientinnen sind schon mit den Informationen überfordert, die sie verstanden haben. Sie nicken dann und schweigen. Doch das ist schade. Denn nur wer nachfragt, wird als Patient kompetent und selbstbewusst im Umgang mit der eigenen Gesundheit.

Es gibt keine peinlichen Fragen 

Für Jugendliche ist ein offenes Gespräch mit dem Arzt oftmals noch schwieriger, denn Scham und Unsicherheit führen dazu, gewisse Dinge nicht anzusprechen. „Ich habe letzte Woche heimlich geraucht und nun habe ich Halsschmerzen“ oder „Die Freibadsaison steht vor der Tür und ich habe überall schmerzhafte Pickel, was mir sehr unangenehm ist.“ Jugendliche sind oft noch verunsichert, was sie mit der Ärztin besprechen können und dürfen. Umso wichtiger ist es, ihnen zu vermitteln, dass es keine falschen oder peinlichen Fragen beim Arztbesuch gibt.

Ärztinnen sind es nicht nur gewohnt, sensible Themen zu besprechen, sie sind auch gesetzlich dazu verpflichtet, gut zu informieren. Es ist daher wichtig, Jugendlichen beizubringen, dass sie im Arztgespräch nicht nur alles besprechen, sondern immer auch Rückfragen stellen können. 

Mit der Ärztin auf Augenhöhe 

Um ein gutes Behandlungsergebnis zu erzielen, ist es ratsam, sich mit der Ärztin oder dem Arzt auszutauschen und die eigenen Bedürfnisse und Wünsche mitzuteilen. Es geht dabei darum, sich inhaltlich auf Augenhöhe zu begegnen.

Auch Jugendliche sollten lernen, dass sie selbst am besten einschätzen können, was ihnen guttut und was ihnen missfällt. Ideal ist es daher, wenn sie schon im Kindesalter ein gutes Arzt-Patienten-Gespräch beobachten dürfen. Im besten Fall lernen sie bereits von den Eltern, wie eine gute Kommunikation im Sprechzimmer verläuft. Das Kind kann dann auch nach und nach in diese Gespräche einbezogen werden. Das stärkt nicht nur das Selbstbewusstsein des Kindes, sondern ermächtigt sie auch zukünftig, eine aktive Patientenrolle einzunehmen.

Shared Decision Making

Beim Shared Decision Making oder, wie im Deutschen gesagt wird: bei partizipativer Entscheidungsfindung, geht es darum, dass Ärzte und Patientinnen gemeinsam über Gesundheitsfragen sprechen und Entscheidungen treffen.

Dahinter steckt der Gedanke, dass man eine Behandlung im Alltag gewissenhafter umsetzt, wenn man sich selbst mit dafür entschieden hat. Der Behandlungsweg wird also nicht von der Ärztin vorgegeben, sondern bei aktiver Teilnahme der Patienten gemeinsam gestaltet. Denn diese sind die Fachleute für ihre Gedanken, Sorgen, Fragen und Erwartungen, während die Ärztinnen die Expertise für die medizinische Behandlung mitbringen. Studien haben belegt, dass sich diese Art der Entscheidungsfindung positiv auf den Behandlungserfolg auswirkt.

Quellen

Schelling P, Gaibler T. Aufklärungspflicht und Einwilligungsfähigkeit: Regeln für diffizile Konstellationen [online]. 2012. https://www.aerzteblatt.de/archiv/123624/Aufklaerungspflicht-und-Einwilligungsfaehigkeit-Regeln-fuer-diffizile-Konstellationen [28.06.2022].

Stiftung Gesundheitswissen. Gut vorbereitet – so gelingt das Gespräch mit dem Arzt [online]. 2022. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/gut-vorbereitet-so-gelingt-das-gespraech-mit-dem-arzt [11.08.2022].

Stiftung Gesundheitswissen. Arztgespräch: So können Sie wichtige Infos leichter verstehen und behalten [online]. 2022. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/wichtige-infos-leichter-behalten [11.08.2022].

Stiftung Gesundheitswissen. Auf Augenhöhe mit dem Arzt? [online]. 2022. https://www.stiftung-gesundheitswissen.de/gesundes-leben/patient-arzt/patient-und-partner [11.08.2022].

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