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Gesund bleiben trotz Belastung
Resilienz, Ressourcen, Coping – eine Vielzahl von Begriffen ist mit psychischer Gesundheit verbunden. Lesen Sie im folgenden Artikel, worum es sich dabei handelt, welche Folgen psychische Erkrankungen haben, wie sie entstehen und wie man trotz hoher Belastung gesund bleiben kann.
Was schützt vor psychischen Erkrankungen?
Eine hohe Anfälligkeit gepaart mit starken Belastungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer psychischen Erkrankung – allerdings ist diese nicht zwingend. Viele Menschen bleiben trotz hoher Belastung gesund. Diese Personen verfügen häufig über Resilienz, Ressourcen oder gute Bewältigungsstrategien (sog. Coping).
Resilienz
Resilienz meint „psychische Widerstandskraft“. Menschen sind nicht immer gleich resilient: Von Situation zu Situation und je nach Art der Belastung ist die Widerstandskraft unterschiedlich. Auch die verfügbaren Ressourcen, z. B. Unterstützung durch Freunde und Familie, und das Verhalten zur Bewältigung von Schwierigkeiten sind unterschiedlich. Daher ist Resilienz keine persönliche Eigenschaft, sondern wird durch viele (Schutz-)Faktoren beeinflusst. Resilientes Verhalten äußert sich zum Beispiel im Umgang mit Verlusten und in der Anpassung an Einschränkungen, aber auch dadurch, wie man Stress bewältigt oder sich nach Belastungen erholt.
Ressourcen
Ressourcen sind Kräfte, die als eine Art Gegenstück zu den Anfälligkeiten verstanden werden können. Sie helfen, belastenden Situationen und Schwierigkeiten erfolgreich zu bewältigen. Das können andere Menschen sein, die Unterstützung bieten; es können Wissen und Fähigkeiten sein oder Geld. Man kann sie in zwei Kategorien einteilen: externe und interne Ressourcen. Soziale Netzwerke (Freundeskreis, Familie), Merkmale des Jobs (Flexibilität) und materielle Werte (Geld) sind zum Beispiel externe Ressourcen. Interne Ressourcen sind z. B. persönliche Eigenschaften, sowohl psychische als auch körperliche, und Kompetenzen. Zu den Kompetenzen gehören unter anderem Optimismus, Intelligenz, der Umgang mit anderen und Bewältigungsfähigkeiten. Einen Jobverlust kann man bspw. leichter bewältigen, wenn man Unterstützung durch die Familie hat, etwas sparen konnte und weiß, wie man schnell einen neuen Job findet.
Bewältigung (Coping)
Coping meint Bewältigungsverhalten, also wie Ressourcen genutzt werden, um psychisch gesund zu bleiben. Es gibt verschiedene Coping-Strategien, die je nach Erfahrung, erlerntem Verhalten und Situation eingesetzt werden. In einer belastenden Situation, z. B. einer wichtigen Prüfung, sind verschiedene Reaktionen möglich. Eine Annäherungsstrategie wäre die aktive Veränderung der Situation, zum Beispiel indem man sich gut vorbereitet, sich Unterstützung holt oder versucht, eine positive Haltung einzunehmen. Eine Vermeidungsstrategie ändert nichts am eigentlichen Problem. Vielmehr geht es um die die Veränderung der eigenen Gefühle und Gedanken, zum Beispiel indem man sich ablenkt. Beide Herangehensweisen sind effektiv, vor allem in extremen Situationen. Die Fähigkeit unterschiedliche Strategien - je nach Situation - passend anzuwenden, scheint das gesündeste Bewältigungsverhalten zu sein.
Welche Folgen haben psychische Erkrankungen?
Die Auswirkungen psychischer Erkrankungen sind vielfältig. In der Arbeitswelt verursachen psychische Erkrankungen mit knapp 45 Milliarden Euro pro Jahr die zweithöchsten Krankheitskosten. Die Krankheitstage aufgrund psychischer Erkrankungen haben sich in den 2010er Jahren mehr als verdoppelt. Es werden zwar weit weniger Personen mit psychischen Erkrankungen krankgeschrieben als beispielsweise mit Muskel-Skelett- oder Atemwegserkrankungen, allerdings sind durchschnittlich 37 Krankheitstage pro Fall auch deutlich mehr als bei den anderen Diagnosen.
Neben Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs und Muskel-Skelett-Erkrankungen sorgen psychische Erkrankungen für die meisten verlorenen Lebensjahre. Je nach Krankheit, Geschlecht und Alter ist die Lebenserwartung deutlich geringer. So sinkt die durchschnittliche Lebenserwartung bei Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung um 5,5 bis 7 Jahren. Der geschätzte Verlust an Lebensjahren bei Menschen mit einer psychotischen Störung liegt zwischen 8 und 11,5 Jahren.
Was verursacht psychische Erkrankungen?
In Filmen oder Büchern werden psychische Erkrankungen der Charaktere meist durch ein traumatisierendes Ereignis oder eine besondere Krankheit ausgelöst. Tatsächlich lassen sich die meisten psychischen Erkrankungen aber nicht auf einzelne Ursachen zurückführen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Ursachen für Erkrankungen aus einem komplexen Zusammenspiel aus Umwelteinflüssen und Persönlichkeit bestehen, auch Vulnerabilitäts-Stress-Modell genannt. Vereinfacht lassen sich zwei Faktoren unterscheiden: Anfälligkeit und Belastungen.
Anfälligkeit
Psychische Krankheiten entstehen aus einem Zusammenspiel von Persönlichkeit, Genetik, Temperament, Bildung, Familie und soziales Netzwerk, Normen, der soziale Schicht. Diese und andere Faktoren bestimmen, wie anfällig wir für eine psychische Erkrankung sind. Je ungünstiger diese Faktoren ausfallen, desto eher kann sich eine psychische Erkrankung ausprägen. Die Anfälligkeit kann man sich wie ein Fass vorstellen. Je größer die Anfälligkeiten für eine psychische Erkrankung, desto kleiner ist das Fass und es braucht daher weniger Wasser, um das Fass sinnbildlich zum Überlaufen zu bringen.
Belastungen
Das Wasser steht für belastende Ereignisse. Das können kritische Lebensereignisse sein, wie zum Beispiel der Umzug in eine andere Stadt, der Verlust der Arbeit oder der Tod eines geliebten Menschen. Aber auch die vielen kleinen, immer wieder auftretenden und sich anhäufenden Ärgernisse hängen mit psychischen Erkrankungen zusammen. Auch wenn bestimmte Grundbedürfnisse unerfüllt bleiben, kann dies zur Belastung werden. So kann beispielweise die lange Trennung von geliebten Personen zu einem Mangel des Grundbedürfnisses nach Bindung führen.
Wie zeigt sich psychische Gesundheit?
Psychische Gesundheit ist mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Sie ist abhängig von vielfältigen biologischen, sozioökonomischen, psychosozialen und kulturellen Faktoren.
Derzeit entstehen Ansätze zur genaueren Definition guter psychischer Gesundheit. Es wird versucht Teilbereiche näher zu bestimmen und genauer zu sagen, was psychische Gesundheit ausmacht. Ein solcher Ansatz fand 14 verschiedene Bereiche, in denen sich psychische Gesundheit messen und fördern lässt:
• Psychische Gesundheitskompetenz
• Einstellungen gegenüber psychischen Erkrankungen
• Selbstwahrnehmung und Werte, kognitive Fähigkeiten
• schulische/akademische/berufliche Leistungen
• Emotionen
• Verhaltensweisen
• Selbstmanagementstrategien
• Sozialkompetenz
• Familie und andere soziale Bindungen
• physische Gesundheit
• sexuelle Gesundheit
• Sinnstiftung
• Lebensqualität
Quellen
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