Lehrerin steht an Tafel

Als Lehrkraft psychisch gesund: Wie geht das?

Viele Lehrkräfte berichten von psychischen Belastungen und Dauerstress. Diese können sich nicht nur auf die eigene Gesundheit, sondern auch auf die Qualität des Unterrichts und damit auf die Schülerinnen und Schüler auswirken. Lesen Sie daher im Folgenden welche Belastungen im Berufsalltag von Lehrkräften auftreten und was Sie für Entlastung und Erholung tun können.

Anforderungen im Beruf

Ein sicherer Arbeitsplatz mit Sinn, gute Bezahlung und viel Freizeit – so stellen sich viele den Beruf Lehrer bzw. Lehrerin vor. Die Wirklichkeit sieht oft anders aus: Der Beruf ist oft geprägt von langen Arbeitszeiten, auch in den Ferien, mitunter unmotivierten Schülerinnen und Schülern und schlechter Ausstattung der Schulen. Hingegen beschreiben Lehrkräfte selbst eine hohe Zufriedenheit und Anerkennung im Beruf. Dem stehen jedoch besondere beruflichen Belastungen gegenüber. Die Belastungen beziehen sich dabei vor allem auf die speziellen Anforderungen des Berufs:

•    die Klassengröße
•    Leistungsunterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern
•    unruhige und unmotivierte Schülerinnen und Schüler
•    die Erwartungen und das Verhalten von Eltern
•    ein hoher Geräuschpegel
•    eine unzureichende Raumausstattung
•    eine hohe Wochenstundenzahl

Der Berufsalltag von Lehrkräften

Studien deuten darauf hin, dass vor allem die langen Arbeitszeiten zu Unzufriedenheit führen. Eine Lehrkraft in Vollzeit an einer Gesamtschule hat - je nach Bundesland - zwischen 24 und 28 Unterrichtsstunden. Der Unterricht macht allerdings nur etwa die Hälfte der Verpflichtungen aus. Hinzu kommt die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts, Konferenzen, Elterngespräche und Vieles mehr. Dadurch ergeben sich für Lehrkräfte in Vollzeit circa 47 Soll-Arbeitsstunden pro Woche. Dieser hohe Wert soll zumindest in der Theorie durch die Ferienzeiten wieder ausgeglichen werden.

Laut einer niedersächsischen Studie liegt die tatsächliche Arbeitszeit von über der Hälfte aller Lehrkräfte in Vollzeit sogar über diesem Wert. Lehrkräfte in Teilzeit liegen - gemessen an ihrem eigentlichen Stundensoll - sogar noch wesentlich stärker darüber. Erklären lässt sich dies mit einem sog. „Decklungseffekt“: Lehrkräfte in Vollzeit können schlicht nicht noch mehr arbeiten, während Teilzeitkräfte noch etwas Zeit finden.

Diese Arbeitszeiten führen zu weniger Möglichkeiten, sich in der Freizeit zu erholen. Oftmals müssen Abende, Nächte und Wochenenden genutzt werden, um Klassenarbeiten zu korrigieren oder Unterrichtsstunden vorzubereiten. Auch in den Ferien wird häufig gearbeitet. Fehlende Erholungszeiten können langfristig zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Wie steht es daher um die Gesundheit von Lehrkräften?

Lehrkräfte: körperlich fit, psychisch belastet

Bei Auswertungen der Krankheitstage in der deutschen Bevölkerung ergibt sich in Bezug auf Lehrkräfte ein unauffälliges Bild. Der Krankenstand liegt meist unter dem Durchschnitt aller Versicherten. Zudem scheinen Lehrkräfte überdurchschnittlich gesund zu leben. Im Vergleich mit der Allgemeinbevölkerung rauchen Lehrkräfte weniger, haben weniger häufig Übergewicht und machen auch mehr Sport.

Mit Blick auf die psychische Gesundheit von Lehrkräften ergibt sich allerdings ein anderes Bild. Lehrkräfte scheinen im Vergleich zu anderen Berufsgruppen überdurchschnittlich psychisch belastet zu sein. Je nach Studienmethode berichten ca. ein Viertel der befragten Lehrkräfte über eine verminderte psychische Gesundheit. Untersuchungen erheben bspw. die psychische Erschöpfung von Lehrkräften, bei der es sich um ein Symptom des Burnouts handelt. Insgesamt lässt sich für Lehrkräfte ein erhöhtes Risiko für eine psychische Erkrankung feststellen.

Psychische Belastung beeinflusst den Beruf

Arbeitsstress und fehlende Erholung können dazu beitragen, dass Berufstätige anfälliger für psychische Erkrankungen sind. Diese Ausgangslage ist bei Lehrkräften vermehrt vorhanden. Wie wirkt sich die psychische Gesundheit allerdings auf den Beruf von Lehrerinnen und Lehrern aus?

Studien zeigen, dass Lehrerinnen und Lehrer im beruflichen Alltag vermehrt unter Erschöpfung oder Müdigkeit leiden und nervös oder reizbar sind. Weiterhin wurde bereits vielfach nachgewiesen, dass lange anhaltende Belastungen und Stress die geistige Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können, zum Beispiel die Denkfähigkeit und das Erkenntnisvermögen, aber auch die Kreativität. All diese Fähigkeiten sind im Alltag einer Lehrkraft gefordert.

Nicht nur Lehrkräfte selbst spüren die Auswirkungen der Dauerbelastung, Schülerinnen und Schüler nehmen diese häufig sehr sensibel wahr. In Feldstudien schrieben die Schülerinnen und Schüler ihren Lehrkräften teilweise höhere Burnout-Werte zu als die Lehrpersonen sich selbst.

Zudem konnte ein Zusammenhang zwischen der Leistung und dem Interesse von Schülerinnen und Schülern am Unterrichtsfach und der Erschöpfung der Lehrkraft festgestellt werden. Je erschöpfter die Lehrkraft, desto schlechter schnitten die Schülerinnen und Schüler ab. Ein möglicher Erklärungsansatz für diesen Zusammenhang sind die beschriebenen körperlichen und geistigen Symptome, welche sich auf die Unterrichtsqualität auswirken können.

Was kann Lehrkräfte schützen?

Lehrkräfte brauchen Mittel und Wege, mit den Belastungen des Berufsalltag gesundheitsförderlich umzugehen. Der wichtigste Schutzfaktor dabei ist die soziale Unterstützung. Diese können sowohl im privaten Umfeld, als auch durch einen wertschätzenden Umgang im Kollegium und gesunde Führung und Unterstützung durch die Schulleitung erfahren werden. Auch über die Ernährung, Bewegung und Erholungsphasen lässt sich beeinflussen, wie stark alltägliche Belastungen uns beeinträchtigen.

Was ist Selbstwirksamkeit?

Spezifisch für Lehrkräfte werden aufgrund der Anforderungen des Berufes folgende Kompetenzen als förderlich angesehen:

Achtsamkeit

Die bewusste Wahrnehmung des Augenblickes, geprägt von einer wertfreien und akzeptierenden Haltung steht im Mittelpunkt eines achtsamen Verhaltens. Das Anspruchserleben im Lehrerberuf, sowie Zeitdruck und Multitasking, steht häufig im Widerspruch dazu. Dennoch ist eine achtsame Haltung durch verschiedene Übungen erlernbar. So kann das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten mit Anforderungen zurechtzukommen gestärkt werden. Da komplexe Anforderungen zum Berufsalltag gehören, stellen solche Übungen einen Weg zu weniger Belastung dar.

Emotionale Kompetenz

Eine wesentliche Anforderung des Lehrberufs ist die Fähigkeit mit den verschiedensten sozialen Situationen umzugehen. Das führt oftmals zu emotionalen Herausforderungen. Häufig werden Erwartungen an den Unterricht nicht erfüllt oder schwierige Unterrichtssituationen führen zu einem Gefühl des Kontrollverlustes. Auch Kränkungen und Enttäuschungen kommen vor. Lösungsansätze dafür können die gezielte Verarbeitung der auslösenden Situation und die Veränderung der eigenen Erwartungshaltung sein.

Selbstwirksamkeitserwartung

Selbstwirksamkeitserwartung meint die Überzeugung, Herausforderungen erfolgreich bewältigen und Ziele erreichen zu können. Es reicht nämlich häufig nicht, die Fähigkeiten zur Lösung eines Problems zu besitzen, man sollte sich diesen Umstand auch bewusst machen. Der Glaube an die eigenen Fähigkeiten lässt sich durch die Erinnerung an Erfolge, das Setzen realistischer und flexibler Ziele, und die gesunde Verarbeitung von Misserfolgen trainieren.

Selbstmanagement

Die große Eigenverantwortung, wie mit der Zeit in und außerhalb des Klassenraumes umgegangen werden kann, kann Fluch und Segen zugleich sein. Während Gestaltungsspielraum die Zufriedenheit im Beruf fördern kann, verschwimmen im Lehrberuf häufig die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben. Es helfen eine klare Tagesstruktur, eine gute Schreibtisch- und Ablagestruktur, kollegialer Austausch von Unterrichtsmaterialien und vor allem die Fähigkeit zur Distanzierung vom Unterricht. Feste Zeiten für soziale Kontakte und Freizeitaktivitäten helfen dabei eine gesunde Distanz zum Beruf zu erlangen.

Welche positiven Nachrichten gibt es für Lehrkräfte?

Trotz vieler Anforderungen und Belastungen berichten Lehrkräfte von hoher Arbeitszufriedenheit und der Sinnhaftigkeit ihres Berufs. Die psychische Erschöpfung ist zwar stärker ausgeprägt als im Bevölkerungsdurchschnitt, scheint allerdings vergleichbar mit anderen sozialen Berufen zu sein. Die Quote der Frühverrentungen aufgrund von Dienstunfähigkeit sank von ca. 60 Prozent im Jahr 2000 auf nur noch 12 Prozent im Jahr 2017.

Ermutigend ist ferner, dass Kompetenzen wie Achtsamkeit und Selbstmanagement veränderbar sind und trainiert werden können. Durch das Training und die Anwendung können die Belastungen verringert und die Gesundheit gefördert werden.

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