Unglückliches Mädchen im Gespräch mit Frau

Die psychische Gesundheit von Schülerinnen und Schülern

Kinder und Jugendliche bringen ihre eigenen Erfahrungen und Belastungen mit in die Schule. Hier bleibt häufig nicht viel Zeit, auf Probleme einzugehen, sofern sie denn überhaupt erkannt werden. Lehrkräfte berichten, dass sie sich nicht gut auf den Umgang mit psychischen Problemen der Schülerinnen und Schüler vorbereitet fühlen. Lesen Sie daher im Folgenden, wie es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen steht und wie Schule unterstützen kann.

Wie steht es um psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen?

Viele Kinder und Jugendliche machen schon früh Erfahrungen mit belastenden Ereignissen, wie der Trennung der Eltern, Krankheit oder Verlust. In Untersuchungen geben circa die Hälfte der Befragten an, in ihrer Kindheit und Jugend mit schwerwiegenden Lebensereignissen konfrontiert worden zu sein. Die Allermeisten verarbeiten diese Ereignisse und bleiben gesund.

Zahlen zur Häufigkeit von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen liefert die BELLA-Studie, welche zuletzt 2017 veröffentlicht wurde. Hier zeigten 17 Prozent der 3- bis 17-jährigen psychische Auffälligkeiten. Andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen. Viele dieser Auffälligkeiten bleiben über Jahre hinweg bestehen. 

Es gibt Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen: Jungen sind bis zum Alter von 15 Jahren häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als Mädchen. Danach kehrt sich der Geschlechterunterschied um. Mädchen sind häufiger von Depressionen und Ängsten betroffen, während Jungen häufiger Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und Störungen des Sozialverhaltens aufweisen.

Die Zahlen verdeutlichen, dass die Kindheit und Jugend vieler junger Menschen nicht so unbeschwert ist, wie wir gerne glauben mögen. Diese Erkenntnis hat sich während der Corona-Pandemie auch gesellschaftlich ausgeweitet. Während der akuten Phase der Pandemie verdoppelten sich die psychischen Auffälligkeiten bei Jugendlichen annähernd. Zu den Symptomen psychischer Auffälligkeiten gehören beispielsweise:

•    Aggressivität
•    Regelbrüche
•    Reizbarkeit
•    Hyperaktivität
•    Unfähigkeit Freundschaften aufrechtzuerhalten
•    Ausdehnte oder häufige Traurigkeit, Nervosität, Sorgen

Was schützt Kinder und Jugendliche vor psychischen Erkrankungen?

Längst nicht alle Kinder und Jugendliche, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, in relativer Armut aufwachsen oder deren Eltern an chronischen Erkrankungen leiden, entwickeln psychische Auffälligkeiten. Es gibt Schutzfaktoren, die Kindern und Jugendlichen helfen können, belastende Situationen und Erlebnisse zu verarbeiten. Sie lassen sich in personale Ressourcen und Umweltressourcen unterteilen.

Personale Ressourcen meinen z. B. den Charakter, die Kompetenzen und das Temperament von Kindern. Kinder mit vielen personalen Ressourcen sind überwiegend guter Stimmung und zeigen sich in neuen Situationen bspw. sehr anpassungsfähig. Diese Eigenschaften helfen ihnen, mit anderen gut zurechtzukommen.

Umweltressourcen sind Familie, Lehrkräfte, Freundinnen und Freunde sowie weitere Menschen, die im Leben der Kinder eine Rolle spielen. Bedeutsam sind vor allem ein positives Familienklima und familiärer Zusammenhalt. Sie reduzieren das Risiko einer psychischen Erkrankung um etwa die Hälfte. Aber auch soziale Kontakte außerhalb der Familie können einen Schutz gegen belastende Erlebnisse und genetische Vorbelastung bilden.

Welchen Beitrag kann die Schule leisten?

Die Schule kann als Umweltressource einen wichtigen Beitrag zur psychischen Gesundheit von Kindern und Jugendlichen leisten. Darunter fallen vor allem die sozialen Kontakte zu Gleichaltrigen, aber auch zu Lehrpersonen, die durch emotionale Unterstützung und Zuneigung einen Anker für gefährdete Kinder und Jugendliche darstellen können.

Es ist jedoch wichtig, sich bewusst zu machen, dass Lehrkräfte nicht die Verantwortung für die Gesundheit der Schülerinnen und Schüler tragen. Dies fällt vor allem in den Bereich der Eltern, der Ärzte oder Therapeutinnen. Dennoch können Lehrkräfte eine wichtige Ressource für die gesunde Entwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler darstellen.

So raten Schulpsychologen im Umgang mit belasteten Kindern zunächst zum Aufbau einer guten Beziehung, damit Lehrkräfte als Ansprechpersonen wahrgenommen werden können. In Gesprächen ist es ratsam, den Fokus auf die positiven Aspekte, die Stärken und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu lenken und nicht allein Defizite und Probleme in den Mittelpunkt zu stellen. Positive Aspekte können Erfolge in der Schule und beim Sport, Hobbies und wertvolle soziale Beziehungen sein.

Im Falle einer sehr stark belastenden Situation, für Lehrkräfte wie für Betroffene, ist es ratsam eine Beratung durch den zuständigen schulpsychologischen Dienst in Anspruch zu nehmen.  
 

Quellen

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